Geständnisse einer Bildbearbeiterin

„Sarah“ hat bereits für verschiedene Unternehmen gearbeitet und ist momentan für Victoria’s Secret tätig. Ihre (mittlerweile nur noch nebenberufliche) Aufgabe: Bildbearbeitung. In diesem lesenswerten Interview auf Refinery29 gibt sie kritische und selbstkritische Einblicke in ihr Schaffen, die für Versierte nicht unbedingt neu sein müssen, aber doch noch einmal aufhorchen lassen.
Ein interessanter Text, der sich wunderbar zwischen „Ich weiß, dass das, was ich bei VS tue, falsch ist, deswegen arbeite ich auch nicht mehr Vollzeit“ und „Wir, als Gesellschaft suchen uns das aus“ bewegt. „Sarah“ ist dabei übrigens nur ein Pseudonym für eine Frau, die in diesem Fall verständlicherweise anonym bleiben möchte.
Im Interview werden viele Aspekte angesprochen: Ausgehend von der Tatsache, dass Bildbearbeitung schon immer ein wichtiger Aspekt der Fotografie war und diese teilweise auch unabdingbar ist, über die kleinen und großen Änderungen, die bereits während des Shootings stattfinden, bis hin zu der Feststellung, dass „unkonventionelle Models“ dem Verkauf von Marken schlichtweg nicht dienlich sind (eine Ausnahme von dieser Regel wird gleichfalls präsentiert).
Push-up-BHs, die erst eingelassen werden, um das entstandene Volumen dann nachträglich wieder zu reduzieren; magere Models, denen per Photoshop mehr Rundungen verpasst werden; „kurvigere Models“, die per Photoshop schmaler gemacht werden; Körper, zusammengesetzt aus Teilen verschiedener Personen und so weiter und so fort …
„Sarah“ klagt dabei nicht ausschließlich einen Industriezweig an, sondern verweist darauf, dass die mitunter extreme Nachbearbeitung der Bilder letzten Endes auch auf die Gesellschaft zurückzuführen sei: „[…] wenn die Menschen ein Bild sehen würden, auf dem Stoppeln im Intimbereich zu sehen sind, würden sie das angeworbene Produkt mit großer Wahrscheinlichkeit nicht kaufen.“
Eine gezogene Konsequenz der Bildbearbeiterin, die die Retusche mittlerweile nur noch im Nebenjob ausübt: „Ich verkleinere keine Taillen mehr. Ich weigere mich das nochmal zu tun.“ Welche weiteren Schlussfolgerungen sich für sie aus ihren eigenen Erfahrungen ergeben, könnt ihr im Detail bei Refinery29 nachlesen. Am Ende gesteht „Sarah“ dann sogar noch, dass sie schon einmal quasi auf sich selbst hereingefallen ist.
Ein Interview für kleinere und größere Aha-Effekte.
Euer Jens
Bildquelle: Pixabay
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Zitat: „Ich weiß, dass das, was ich bei VS tue, falsch ist, deswegen arbeite ich auch nicht mehr Vollzeit“
Diese Aussage ist der Witz der Woche. Gut, nicht so schlimm, wenn man nur vormittags betrügt und dafür am Nachmittag zur Beichte geht.
Jeder, der nur am Rande mit Werbung zu tun hat weiß, daß geschönt wird - manchmal bis zum Erbrechen. Lug und Betrug wird es, wenn die Politik und die "dpa" mitmischen.
Ich tue mir damit schwer. Schon Klementine hat nicht wirklich gewaschen, Milchschnitte ist eher Sahnetorte - und wenn da "eine Extraportion Milch" drin wäre, wäre es womöglich auch nicht nur gut - von Laktose-Intoleranz bis Milchpreis kann man sich was aussuchen. Werbung ist so zugespitzt, dass das doch Comedy ist. Manchmal wird der Gag offensichtlich zugegeben, manchmal erkennt man ihn eben nicht immer, weil die Regie - in dieser Metapher - ein schlechter Witzeerzähler ist.
Hat eigentlich schon mal wer versucht, seine Silhouette in eine Bratpfanne zu bekommen, nachdem man damit versemmelt wurde? Gab es bei Tom & Jerry regelmäßig - und selbst Kinder können davon abstrahieren (gehen ja bekanntermaßen nicht mit Bratpfannen aufeinander los). Der einzige Unterschied ist doch, dass heutige Werbung meist nicht gezeichnet ist. Das mag es Kindern leichter machen, die Abstraktion zu erkennen. Die Übertreibung in Werbung ist aber regelmäßig ähnlich (Autos auf Sprungschanzen, meterhohe Hauptpersonen beim Stromsparen ... und ja: grotesk aussehende Menschen, die irgendwie Beauty-Kram bis hin zum Fernsehprogramm aufwerten sollen - Comedy, nichts weiter).
Da tue ich mir jetzt mit Betroffenheit schwer. Ich habe allerdings in einer freien Gesellschaft schon gewisse Ansprüche an Erwachsene, z. B. bei bestimmten Sachen abstrahieren können.
Die Welt ist voller Täuschungen. Wir sehen Diese Täuschungen auf jedem Model-Foto. Wir wissen alle, daß da Korrekturen vorgenommen worden sind. Ich finde selbst, dass "Natürlichkeit" über "Unnatürlichkeit" stehen sollte. Ich finde es grundsätzlich falsch Realitäten zu verformen und zu verzerren.
da kann ich nur zustimmen, "wir" wollen es ja so. Danke
Besser Haare im Intimbereich als Ein Hunger-haken mit Stelzbeinen!
Jeder interessierte Outsider erkennt schon seit langem die Manipulationen und hat ähnlich gelagerte Artikel schon mehrfach gelesen.
Die "Geständnisse der Sarah Inkognito" mögen dieser Sarah ein xx-stelliges Honorar eingebracht haben, für mich als Besucher und Tutkit-Abonnent waren die Neuigkeiten ein alter Hut.
Dass mittlerweile zu viel an den Fotos herumgebastelt wird, ist bekannt. Aber mal ehrlich, wer von uns würde eine Sache im Katalog bestellen, die auf dem Model schlecht sitzt oder nicht ansprechend präsentiert wird? Keiner! Wir als potenzielle Kunden zwingen quasi Verkäufer dazu, am Bild herum zu basteln. Den richtigen Mass an diesem Herumbasteln muss man aber erst finden. Das ist das schwierigste daran. Im Idealfall soll das Foto so bearbeitet werden, dass es für die Laien natürlich und unbearbeitet aussieht, aber alle Vorteile des Models und der Sache, die präsentiert wird, vor gehoben werden.
Ich finde es trotzdem gut, dass sich mal ein Insider (eine Insiderin?) dazu äußert und die Missstände anprangert. Es wird nichts ändern, wie sie selbst meint, weitet aber den Blick. Und ehrlich, so genau habe ich mich noch nie damit beschäftigt, weil mir die Branche ohnehin zu sehr verlogen daherkommt. Aber wenn jetzt (?) selbst Kinder nachträglich gestylt werden, wird es noch absurder. Finde ich zumindest...
Hmmm. Ich finde auch, dass das, was ich als Einbrecher tue, nicht gut ist. Deshalb habe ich mich jetzt entschlossen, nur noch vormittags einzubrechen. Ich werde auch keine Kreissäge und kein Dynamit mehr verwenden.
Viel gibt es dazu nicht zu sagen, denn wenn man sich "Fotos" anschaut erkennt man, dass eben mehr oder weniger daran herumgebastelt wurde. Dass Fotos, die einen Augenblick festhalten, in jede Richtung den Betrachter manipulieren können, ist offensichtlich. Man braucht ja nur zu sehen, welchen Gesichtsausdruck Fotos von Politikern zeigen, wenn im Artikel die Rat-, Hilflosigkeit oder Bürde beschrieben wird. Da gibt es dann sicher kein strahlendes Lächeln zu sehen. Und bekanntlich zeigt ja allein der gewählte Ausschnitt, wie mit Fotos manipuliert werden kann, da wählt man eben ein Foto, wo jemand allein, ohne umgebende Menschen zusehen ist, wenn man Einsamkeit oder Not illustrieren will.
Dass schon in analogen Zeiten viel retuschiert wurde, ist ja ohnehin bekannt. Da wurden ja auch Fotos für Ausweise retuschiert, damals gab es noch keinen Bedarf an Biometrie. Und es ist ja allgemein bekannt, dass viele Prominente, besonders Künstler, selbst auswählten, welche Fotos veröffentlicht werden dürfen. Hat sich ja auch nicht geändert. Auch nur die Schokoladenseite zu zeigen ist Manipulation.
Und zum Abschluss: So neu ist das alles ja auch nicht, denn Portraitmaler haben seit hunderten von Jahren ja auch so gemalt, dass ihre Auftraggeber mit dem Ergebnis zufrieden waren. Schon lange vor PS.