Naturfotografie - Teil 04 - Bildgestaltung

Die digitale Naturfotografie eröffnet uns Fotografen eine Menge neuer, faszinierender Möglichkeiten.
Von der schnellen Bildbewertung über den Crop-Faktor ("Verlängerungsfaktor") bis hin zur Kamerafernauslösung ist unserer Kreativität ein neues Tor geöffnet worden. Natürlich gelten auch weiterhin alle Bildgestaltungs- und Belichtungsregeln, allerdings mit einigen feinen Unterschieden zur analogen Fotografie. All dies werden wir in dem Tutorial "Naturfotografie" besprechen.
Und das Wichtigste: unsere Motive! Tiere, Pflanzen und Landschaften werden einen großen Raum einnehmen. Denn ohne sie gibt es keine Naturfotografie.
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Teil 4 - Bildgestaltung
Auch wenn es im Teil 3 sehr theoretisch wurde, so ist es doch nötig, sich vor dem eigentlichen Fotografieren mit der Kameratechnik weitestgehend vertraut zu machen. Dies erreichen wir vor allem durch Üben. Also viel, viel fotografieren und auch einfach einmal etwas ausprobieren. Wenn wir dann die Kamera so weit im Griff haben, dass nicht mehr jeder Drehknopf gesucht werden muss und der Zusammenhang von Blende und Belichtung verstanden wurde, ist es Zeit, sich der Bildgestaltung anzunehmen.Der Fotograf macht sich sein (fotografisches) Leben deutlich leichter, wenn er oder sie versucht, konsequent mit einem Stativ zu arbeiten. So ist viel mehr Zeit vorhanden, in Ruhe ein Bild zu gestalten und die Konzentration auf das Motiv ist deutlich höher. Auch wenn viele diesen „Tipp“ schon einmal gelesen haben und ihn nicht für besonders erwähnenswert halten, so ist der Einsatz eines Stativs eines der „Geheimnisse“ eines guten Bildes. Aus meiner Erfahrung als Workshopleiter kann ich ein Lied davon singen, wie wenig Wert darauf gelegt wird, ein vernünftiges, stabiles Dreibeinstativ einzusetzen. Die Gründe liegen natürlich auf der Hand: Ein gutes Stativ inkl. Kopf ist nicht billig und zudem auch noch schwer und unhandlich. Dennoch, der Fotograf wird auf Dauer durch besser gestaltete und weniger verwackelte (=unscharfe) Aufnahmen belohnt! Siehe dazu auch Teil 2.3.
Ein Problem bei der Gestaltung produzieren die Kamerahersteller. Bei den meisten Kameramodellen sieht der Betrachter nur um die 95% des Bildes, welches später auf dem Computermonitor abgebildet wird. Sehr viele Fotografen wissen dies nicht einmal. Und andere wiederum argumentieren, dass dies doch toll sei, dann könne man ja beim Bildbearbeiten nach Gutdünken die überflüssigen Bildteile abschneiden. In der Praxis erweist sich ein verkleinerter Sucherausschnitt manchmal trotzdem als Nachteil.
Bei einer meiner ersten Kameras betrug das sichtbare Feld des Sucherbildes etwa 95 %. Das heißt dann nicht, dass an allen 4 Seiten des fertigen Bildes gleich viel dazukommt bzw. im Sucher bei allen 4 Seiten gleich wenig zu sehen ist! Der Sucher zeigte immer (vom Hochformat aus gesehen) im oberen Teil deutlich weniger des Motivs als an den anderen 3 Seiten. Praktisch bedeutet dies, dass ich bei einem Motiv entscheiden muss, ob ich die Kamera zwecks Bildgestaltung etwas anders positionieren muss. Und da ich nicht genau weiß, wie groß der Beschnitt ist, muss ich raten. Das wirkt sich nicht positiv auf die Bildgestaltung aus.
Nun mag der Leser denken, soll er doch schon beim Fotografieren sofort immer einen größeren Ausschnitt wählen! Dagegen sprechen (für mich) zwei Dinge. Zum einen ist es immer mein Ziel, das Bild schon während der Aufnahme so zu fotografieren, dass ich am Computer nur noch minimalste Zeit zur Bearbeitung benötige. Zum anderen geschieht es immer wieder, dass bei hektischen Aufnahmen die Bildgestaltung nicht optimal verlief (beim 95%-Sucher) und ich bei einem späteren Beschnitt keine vernünftige Bildgestaltung mehr hinbekomme, weil ich nicht daran gedacht habe, auf der einen Seite des Bildes etwas mehr Platz zu lassen. Die Bildgestaltung wird von vielen Fotografen sowieso schon stiefmütterlich behandelt. Und dann durch Beschneiden oftmals ganz aus den Augen verloren. Habe ich aber schon im Sucher die optimalen Bedingungen, ist eine Fehlerquelle weniger vorhanden.
Ein Satz noch: Es ist für mich viel befriedigender, ein Naturbild vor Ort „fertig“ zu haben, als es zu Hause im dunklen Zimmer alleine vor einem toten Viereck sitzend so lange zu bearbeiten, bis ich ein „gutes“ Bild geschaffen habe. Diese Vorgehensweise passt einfach nicht in die Naturfotografie. Dafür gibt es eine Menge anderer fotografischer Sparten, die für die Nachbearbeitung am Computer wesentlich besser geeignet sind.
4.1 Bildformate nutzen
Eine kleine, aber für jeden verständliche Gestaltungsmöglichkeit ist der Einsatz von Quer- und Hochformat.Beim Querformat hat der Betrachter das Gefühl, dass er nur zuschaut, aber nicht selber dazugehört. Dies kommt hauptsächlich daher, weil unser Blickfeld dem Querformat sehr nahe kommt. Wir also dieses Format „gewohnt“ sind.
Bild 30: Das Querformat steht für: Ferne, Ruhe, Stille, normal, passiv.
Bild 31: Das Hochformat steht für: Nähe, Aktion, laut, außergewöhnlich, aggressiv.
Tipp: wenn irgend möglich, jedes Motiv immer im Quer- und im Hochformat aufnehmen. Zu Hause, am Monitor, stellt sich schnell heraus, welche Bildgestaltung die bessere war!
4.2 Der Goldene Schnitt
„Der sogenannte Goldene Schnitt teilt eine Strecke in einen kleineren und einen größeren Abschnitt, wobei sich der kleinere zum größeren gleich verhält wie der größere zur ganzen Strecke.“ Alles verstanden? Gut, dann geht es zum nächsten Gestaltungsmittel ...Oder vielleicht doch noch ein paar Anmerkungen?
Auf PSD-Tutorials.de gibt es unter der Rubrik „Fotografie“ schon eine recht ausführliche Erklärung zum Goldenen Schnitt. Daher beschränke ich mich hier auf eine einfach zu verstehende, bildliche Darstellung.
Abbildung 6: Die Flächenaufteilung im Goldenen Schnitt.
Bild 32: Flächenaufteilung nach dem Goldenen Schnitt. Die Aufteilung eines Bildes nach dem Goldenen Schnitt wird vom Betrachter als ausgeglichen und harmonisch empfunden.
4.3 Die Diagonale
Über Erfolg oder Misserfolg eines Bildes entscheidet der erste flüchtige Blick. Können wir den Betrachter dazu bewegen, einen Moment beim Bild zu verweilen, haben wir schon vieles gewonnen.Bildaufbauten, die eine Diagonale von oben links nach unten rechts enthalten, kommen unserer Lesegewohnheit nach. Mehr Spannung bringt es, die Diagonale von rechts oben, nach links unten einzusetzen. Grundsätzlich besteht die Gefahr, dass der Blick aus dem Bild nach unten hinausgeführt wird. Dem kann bspw. durch Setzen eines „Stopp-Punktes“, wie hier der Farn, entgegengearbeitet werden.
4.4 Der Punkt
Für den Fotografen bedeutet das Gestaltungsmittel eine einfache und effektive Art, den Blick des Betrachters zu leiten. Befindet sich der Punkt im rechten unteren Bildrand, so bildet er für den Betrachter einen ruhenden Pol. Liegt der Punkt im Bildzentrum, so bildet er eine Achse, um die sich das Motiv dreht. Optimal angeordnet ist der Punkt dann, wenn er sich im Goldenen Schnitt befindet.Bild 34a: ein klassisches Bildbeispiel für die Gestaltung mit einem "Punkt".
4.5 Dopplung
Auch als „Punktepaar“ bezeichnet, ist dieses Gestaltungsmittel recht problematisch, da der Betrachter sich nicht entscheiden kann, wo er hinschauen soll. In der Naturfotografie aber können wir durch geschicktes Ausnutzen der Schärfentiefe mit einem eher durchschnittlichen Motiv ein doch akzeptables Ergebnis erzielen.Bild 35: In der Regel ist es für den Bildaufbau immer besser, eine ungerade Anzahl von Motiven einzusetzen. Ausnahme: die "Dopplung".
4.6 Die Flächenaufteilung
Ein durch die Bildmitte laufender Horizont teilt das Format in zwei gleich große Flächen. Wird zusätzlich noch eine Senkrechte angedeutet (wie in Bild 36 durch die Bäume), wird das Format in vier gleich große Flächen geteilt. Dadurch wird kein Bildteil stärker bewertet, das Bild wirkt neutral, ohne Spannung und somit langweilig.Bild 36: Flächenaufteilung in vier gleich große Teile.
Auch hier ist die Anordnung im Goldenen Schnitt nie das falsche Gestaltungsmittel (Bild 39).
Bild 37: Flächenaufteilung mit tief liegendem Horizont.
4.7 Die Aufnahmeposition
Besonders in der Naturfotografie (aber nicht nur hier) ist die Position, aus der wir ein Foto machen, ein entscheidendes Kriterium für einen „Hingucker“. Klassisch wird einfach im Stehen ein Bild gemacht und dann geht's weiter zum nächsten Motiv. Ein Fehler, der oft gemacht wird und doch so leicht zu verhindern ist. Ohne große Erklärung soll der Leser einfach einmal für sich die folgenden Bilder betrachten. Ich denke, dass es recht leicht fällt, zu entscheiden, welches der Bilder den Betrachter mehr anspricht.Bild 40: Winterling 1.
4.8 Die Schärfe in der Naturfotografie
Schärfe ist bei jedem Motiv wichtig. Besonders wichtig aber bei Tieraufnahmen. Wie bei allen Gestaltungsmitteln ist auch die Schärfe nicht als immer anzuwendendes Gesetz zu sehen. Aber wer schon einmal eine Diashow halten durfte, wird an den Reaktionen seiner Zuschauer gemerkt haben, dass bei einem extrem scharfen Bild ein Raunen durch die Reihen ging. Gerade in der Tierfotografie ist ein detailreiches, scharfes Bild beinahe so wichtig wie ein gut gestaltetes Bild.Bild 42: Bei Tieraufnahmen immer darauf achten, dass die Schärfe in den Augen liegt und ein Lichtpunkt im Auge erscheint. Dieser Punkt ist wichtig, damit das Tier einen „lebendigen“ Eindruck macht. Dieses Bild ist bis auf den Weißabgleich völlig unbearbeitet!
4.9 Mit Farben gestalten
Selbst wenn einem kein anderes Gestaltungsmittel mehr einfällt, bleibt immer noch die Möglichkeit, die Farben eines Motivs zu nutzen. An dieser Stelle möchte ich drei der häufigsten Farben als Beispiel bringen.Diese Farbe steht für: Natur, Gras, Pflanzen, Natürlichkeit, Frische, Hoffnung.
Bild 43: Grundsätzlich wirkt die Farbe Grün eher beruhigend auf den Betrachter, sie kann also auch tendenziell langweilig sein!
Diese Farbe steht für: Liebe, Feuer, Gefahr, Hitze, Aktion.
Bild 44: Grundsätzlich weckt die Farbe Rot beim Betrachter das Gefühl von Wärme.
Diese Farbe steht für: Sonne, Fröhlichkeit, Neid, Feigheit.
Bild 45: Grundsätzlich wirkt die Farbe Gelb auf den Betrachter positiv.
4.10 Mit Licht gestalten
Licht ist für die Fotografie im Allgemeinen natürlich DAS Gestaltungsmittel. Jeder Fotograf sollte sich bewusst sein, dass ohne Licht auch keine Fotografie möglich wäre und mit Licht aus einem langweiligen Bild ein absolutes Knallerbild werden kann (auch wenn dies völlig logisch klingt, ist für viele Fotografen das Licht oft nur vorhanden und wird nicht zur Gestaltung eingesetzt).Bild 46: die berühmte "Blaue Stunde" am Abend.
4.11 Die Doppelbelichtung
Auch wenn die Doppelbelichtung genau betrachtet ein manipuliertes Naturbild ist, gilt diese Art der Gestaltung doch als etabliert und wird sogar oft gar nicht als manipuliert angesehen. Das genaue Vorgehen wird im Teil 9 – Pflanzen erklärt. Grundsätzlich sollte dieses Gestaltungsmittel aber nicht zu oft eingesetzt werde, da der Effekt beim Betrachter mehrerer solcher Bilder schnell zur Ermüdung führt.Bild 48: 2 Bilder zu einem Bild zusammengeführt. Durch Halbieren der Belichtungszeit erreichen wir ein ausgewogen belichtetes Bild. Es entsteht ein fluffiger Bildeindruck.
4.12 Das gezoomte Bild
Ähnlich der Doppelbelichtung erfreut sich bei einigen Naturfotografen das gezoomte Bild (Bild 49) einer gewissen Beliebtheit. Ich erwähne es an dieser Stelle, weil das Digitalzeitalter durch die kostengünstigen Speicherkarten viele (Fehl-) Versuche zulässt. Denn selten gelingt die perfekte Aufnahme schon beim ersten Versuch. Grundsätzlich entspricht die Aufnahmetechnik der einer Doppelbelichtung. Aber zum einen muss ein Zoomobjektiv vorhanden sein und zum anderen muss zusätzlich bei der zweiten Belichtung der Drehzoom am Objektiv betätigt werden.Bild 49: Eine blühende Löwenzahnwiese einmal anders fotografiert. (Foto: Alice Kurscheidt)
4.13 Die dynamisch selektive Unschärfe
Damit wird ein Bild bezeichnet, was größtenteils (sehr) unscharf aufgenommen wird. Am häufigsten wird dieses Gestaltungsmittel bei Tieren in Bewegung eingesetzt. Dabei kann, muss aber nicht, wenigstens ein Teil des Motivs scharf abgebildet sein. Wenn ein Teil scharf abgebildet wird, sollte die Schärfe auf den Augen (oder dem Auge) des Tieres liegen.Bild 50: Hier ist weniger die Schärfe entscheidend. Nicht immer muss ein Motivteil erkennbar scharf abgebildet werden. Der Sinn solcher Bilder liegt darin, die Bewegung eines Motivs darzustellen.
Und zum Schluss: Gute Fotografen sind bildersüchtig. Alle Bilder, egal ob eigene oder fremde Bilder, werden immer analysiert. Machen Sie es genauso. Wer die Bildsprache lernen will, muss sehen lernen. Und weil dies so wichtig ist, wird diesem Aspekt auch das nächste Kapitel „Sehen lernen“ gewidmet.

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Vielen Dank für dieses schöne Tutorial.
Viele Anregungen die ich bald im Urlaub umsetzen kann, danke dafür.
schönes Tut, sehr hilfreich, vielen Dank
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Sehr informativ und hilfreich
Toll, ich bin begeistert. Wieder was gelernt
Super Tutorial, weiter so
Sehr gut gemacht.Für mich hilfreich.
Sehr schöne Fotos zur Illustration - Danke
Super hilfreich! Merci für das top Tutorial!
Kurz und bündig. Sozusagen die Basics. Wer dieses Tutorial ein-, zweimal liest, sich die Gestaltungselemente auf einem Zettelchen notiert, hinauszieht (Stativ nicht vergisst), die Augen aufmacht für Motive, das Zettelchen abarbeitet, zwei, drei, vier Elemente anwendet, ist einen Schritt weiter in puncto Gestaltung (nicht nur in der Naturfotografie).
Sehr schönes Tutorial mit tollen Fotos und guter Beschreibung.
Super gemacht! Sehr ausführlich!
Dieses Tutorial ist klasse. Obwohl ich schon seit ein paar Jahren fotografiere und natürlich diverse Bücher und Zeitschriften mein Eigen nenne, habe ich bisher keine so gute Zusammenfassung nützlicher Tipps gesehen.
Vielen Dank dafür!
Danke für die vielen nützlichen Tipps. Werde sie beim nächsten Fotospaziergang beherzigen.
super Bilder ... da juckt es mir gleich in den Fingern ... hab so richtig Lust bekommen mal wieder raus zu gehen ...
Sehr schöne Bilder, super Tutorial
schöne Idee mit dem "Stopperfarn"
gefallt mir sehr gut
ausgezeichnete serie
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